Montag, 2. November 2015

Reitpferdeausbildung mit dem Kappzaum

versch. Kappzäume

Die erste Erwähnung Kappzaum ähnlicher Zäumungen, sind in den Darstellungen der Antike zu finden. Die ursprüngliche Heimat des heute bekannten Kappzaumes dürfte in Spanien liegen. Von hier aus, verbreitete sich das Ausbildungsinstrument, während der Renaissance, in ganz Europa. Noch heute findet der Kappzaum in den Hochburgen der klassischen Reiterei in Wien, Jerez und Queluz seinen täglichen Einsatz. Wer sich aber heute einen Kappzaum zulegen möchte muss sich zunächst durch einen Dschungel von Begrifflichkeiten und unterschiedlichen Modellen den Weg bahnen. 

Wir wollen Licht in die Materie bringen und im Folgenden, auf die gebräuchlichsten Zäume eingehen, wissentlich das noch viele weitere Formen des heutigen Kappzaumes erhältlich sind. Die Beschreibung jedes einzelnen würde aber den Rahmen sicherlich sprengen. 

Wiener Kappzaum: ~ besteht im wesentlichen aus einem zweimal gebrochenen Naseneisen. Der mittlere Teil dieses Naseneisens kann eigens für ein Pferd an dessen Nasenrücken angepasst werden, um eine optimale Passform zu gewährleisten. Auf diesem Stück sitzen auch die drei Ringe, wobei die beiden äußeren starr und der mittlere umlaufend ist. Das Naseneisen ist mit Leder ummantelt und zusätzlich gepolstert. Der Kappzaum wird mit einem Kinn- und einem Ganaschenriemen eng anliegend verschnallt. 

Beim südfranzösischen Cavecon besteht das Nasenteil aus einer Kette, die in einer Art Lederschlauch verläuft. Es sind allerdings auch scharfe Varianten mit blanker Kette als Nasenriemen bekannt. Eine nach dem klassischen Reitmeister Antoine de Pluvinel benannte Variante des Cavecon kommt mit einem rein ledernen Nasenriemen aus, in den die üblichen drei Ringe eingenietet sind. Die Serreta ist der klassische spanische Ausbildungszaum. Das Naseneisen besteht aus einem starren, oft an der Innenseite gezähnten Stahlbügel, der über die Pferdenase geschnallt wird. Dieser schmale (1 cm) Stahlbügel ist manchmal mit dünnem Leder ummantelt. Dadurch wird ihre äußerst scharfe Wirkung jedoch kaum gemildert.

Wir bevorzugen einen leichten Kappzaum der aus Leder gefertigt, mit einem Kinn- und Ganaschenriemen ausgestattet und das Naseneisen ist mit Leder ummantelt ist. An dem Naseneisen befinden sich drei Ringe. Unerheblich ob man eine der vielen Formen des Kappzaumes oder eine  Serreta benutzen möchte, beide sollten nur erfahrene und in der Verwendung geschulte Reiter verwenden! Für Erstbenutzer empfehlen wir dringend eine intensive Schulung in der Verschnallung und Anwendung dieser. Obwohl Kappzäume präzise Ausbildungsmittel sein können, kehrt sich dies bei nicht fachgerechter Anwendung ins Gegenteil und sie werden zu sehr schmerzhaften Folterinstrumenten, die Pferde für lange Zeit verderben, oder gar unbrauchbar, machen können.

Amadeo (Holst.) mit Kappzaum
Große Sorgfalt benötigt das Anlegen des Zaumes. Ein Kappzaum wird ähnlich dem hannoverschen Reithalfter verschnallt. Damit dieser seine volle Wirkung entfalten kann, wird er eng angelegt. Auf den zwei Finger breiten Freiraum, wie bei einem  Trensenzaum wird verzichtet. Dieser Freiraum führt bei der späteren Arbeit zum verrutschen des Naseneisens, was zu vermeiden ist. Ein verrutschtes Naseneisen, kann zu schmerzhafter oder irreparabler Einwirkung führen und das Pferd verliert das Vertrauen in seinen Ausbilder, denn der Kappzaum ermöglicht eine deutliche Einwirkung auf die Nase des Pferdes, und es kann dadurch bereits beim Führen diszipliniert werden. Ein kurzer Ruck am Kappzaum mit anschließendem Nachgeben, hat eine sofortige bremsende Wirkung und erhöht den Respekt gegenüber dem Menschen. Ein abstumpfendes Tau ziehen kann nicht im Sinne einer, auf Vertrauen und Respekt basierenden, Arbeit sein. Deshalb sollte die Einwirkung so weit wie möglich impulsartig erfolgen und ansonsten auf eine weiche Führung geachtet werden. Kappzäume eignen sich zur Ausbildung von Pferden aller Rassen und Altersstufen. Insbesondere bei der Bodenarbeit, beim Führen und beim Longieren junger Pferde, da sie das Maul des Pferdes schonen und so dessen Sensibilität erhalten. Damit bietet der Kappzaum eindeutige Vorteile gegenüber den häufig benutzten Alternativen Halfter oder Trense. Bei der Bodenarbeit und beim Führen hakt man den Führstrick oder die Longe in den seitlichen Ring ein auf der, der Ausbilder geht. Damit kann man ein verrutschen des Kappzaumes bei kurzfristigen Harmoniestörungen vermeiden. Lässt aber das umschnallen der Longe bei einem Handwechsel, gerade bei jungen Pferden, eine temporäre Harmoniestörung erwarten oder neigt das Pferd dazu gelegentlich heftiger zu reagieren, so ist man mit dem mittleren Ring sicherlich besser beraten.
Der Kappzaum kann auch zum Reiten von Pferden hilfreich sein, die bei Einwirkung auf Zunge und Kinnlade mit einem Verkriechen hinter dem Zügel reagieren. Werden die Zügel, in die äußeren Ringe geschnallt, so erreicht man eine vorwiegend richtungsweisende Einwirkung. Der Trensenzügel wirkt nur ganz allmählich unterstützend ein und damit kann das unerwünschte Verkriechen vermieden werden.
Ich hoffe wir konnten Ihnen einige Hinweise und Anregungen für Ihre Trainingseinheiten geben. Ausbildung zum Gebrauch des Kappzaums bieten wir gerne auf Anfrage an. 

Reiten in Anlehnung


Den einen „richtigen Weg“ wird es nicht geben. Dazu sind Reitstile und Pferdetypen zu unterschiedlich. Wenn aber Harmonie und Leichtigkeit das Ziel sind und der Weg zum Ziel führen soll kann man Meilensteine auf dem Weg dorthin setzen. 

Clemens Heise und Andrassy
In der Reitlehre wird Anlehnung als stetige, weiche Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul definiert. 


Clemens Heise und Andrassy
Aber was bedeutet das jetzt für den Reiter? 


Zunächst sollte man sich gedanklich davon trennen, die reiterlichen Ziele „schnell“ erreichen zu wollen. Sicherlich gibt es Maßnahmen und Methoden die einen schnellen Weg oder eine Abkürzung versprechen, aber mittelfristig zu viel größeren und schlimmeren Problemen führen. Es bedarf einer soliden und reellen Ausbildung des Pferdes, um es problemlos, nicht nur heute oder morgen, sondern sein Leben lang in Anlehnung und Leichtigkeit reiten zu können. Diese dressurmäßige Gymnastizierung und Ausbildung erfolgt in jeder Trainingseinheit aufs Neue. 

Und genau an diesem Punkt trifft der Pfeil ins Schwarze. Im Idealfall erfolgt die Anlehnung an die Reiterhand als stetige und leichte Verbindung. Um diese zu erreichen und zu bewahren kann man an dem Zusammenspiel von Schub- und Tragkraftt weiter arbeiten. Für die Entwicklung der Schubkraft reiten wir gerne Tempowechsel im Trab (zulegen- abfangen) oder auch Übergänge von Schritt- Trab- Schritt oder Trab- Galopp- Trab, immer abwechslungsreich und auf beiden Händen. Für die Tempowechsel ist es nicht wichtig, 40m schneller zu traben, sondern achten Sie darauf, dass Ihr Pferd sensibel auf die Schenkelhilfe reagiert und anzieht. Schon wenige Tritte genügen zunächst um es dann wieder in den Arbeitstrab zurückzuführen und für die prompte Ausführung zu loben. Ein weiteres wichtiges Thema für ein gefühlvolles Reiten ist die Abwechslung im TrainingStatt langwierig Lektionen zu pauken, entwickeln wir interessante Übungsabläufe die dem Pferd die gewünschte Übung oder Lektion schmackhaft machen, bspw: 

  • lange Seite zulegen- Mitte der langen Seite abfangen- 
  • in leichter Versammlung aus der Ecke kehrt- 
  • am Hufschlag wieder zulegen- erneut abfangen- 
  • in leichter Versammlung eine Volte reiten- 
  • danach erneut kurz zulegen um das Pferd danach in den Arbeitstrab zurückzuführen.
Dieser Ablauf fordert viele Elemente auf dem Weg zur Leichtigkeit ab und gibt mir gute Informationen an welchen Elementen noch gearbeitet werden muss. Wir achten stets darauf, dass es bei einer leichten und steten Zügelverbindung bleibt. Sollte das einmal nicht (mehr) der Fall sein und das Pferd liegt auf der Hand, kehren wir zu dem vorangegangen Ausbildungsabschnitt zurück und beginnen neu. Lassen Sie sich nicht auf ein ziehen am Zügel oder ein ausruhen auf der Hand ein. Kehren Sie zum vorangegangenen zurück, setzen erneut an- oder gönnen Sie sich und dem Pferd eine kleine Pause zur Erholung. Um gefühlvoll in leichter Anlehnung zu reiten, muss man nicht zwangsläufig auf eine andere Reitweise umsatteln. Sehr oft genügt ein Umdenken des Reiters und Umstellen des Reittrainings. Seien Sie selbst innovativer beim Reiten. Entwickeln Sie Übungsabläufe in denen die Elemente der Schub- und Tragkraft gefordert werden, mixen Sie die bekannten Bahnfiguren oder entwickeln daraus eigene. Leichtes Reiten erfordert auch Konzentration, vorausschauendes Denken und ein abwechslungsreiches Reitprogramm. 

Der Begriff Leichtigkeit ist nicht definiert und wird in der Literatur gerne mit Weglassen von Zwangsmitteln, Respekt gegenüber dem Pferd oder nichts in der Hand, frei übersetzt. Eigenschaften die uns aus der klassischen Reiterei wohl bekannt sind. Objektiv betrachtet gibt es verschiedene Formen der Anlehnung. In den lösenden Phasen der Entspannung reitet man üblicherweise am verlängerten Zügel mit leichter Genickkontrolle und vorwärts abwärts. In den Dressurarbeitsphasen oder beim Anreiten von Hindernissen im Parcours oder Gelände reitet man mit freierer Anlehnung in (relativer) Aufrichtung. Die Art und Form der Anlehnung entwickelt sich also aus dem was man reiten möchte. 
Jedoch soll Leichtigkeit in allen drei Disziplinen gewahrt werden. Der Weg dahin führt über sinnvolle Gymnastizierung des Pferdes. Die Entwicklung der Schubkraft und Entwicklung der Tragkraft spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Schubkraft befähigt das Pferd zu einer aktiven Hinterhand und einem energischem Schwingen der Hinterbeine unter den Schwerpunkt des Pferdes. Die Elemente der Schubkraft entwickeln sich aus Losgelassenheit,  Anlehnung, Schwung und Geraderichtung.  Die Tragkraft befähigt das Pferd, den Rücken vermehrt aufzuwölben und sich selbst zu tragen und wird durch die Elemente Schwung, Geraderichtung und Versammlung gefördert. Bei dem optimalen Zusammenspiel zwischen Schub- und Tragkraft wird unser Ziel „Leichtigkeit“ quasi Fundstück am Rande des Weges. Leichtigkeit ist keine Frage der Ausbildung von Pferd und Reiter oder nur etwas für fortgeschrittene Dressurcracks. Die leichte, nahezu unsichtbare Kommunikation (Hilfengebung) zwischen Reiter und Pferd kann in jedem Stadium der Ausbildung erreicht werden. 

Das ist die zentrale Frage um die sich alles dreht, die dennoch kaum allgemein gültig beantwortet werden kann. Denn wie eingangs bereits erwähnt, sind die Anforderungen zu unterschiedlich. Gefühl Gefühlvolles, leichtes Reiten ist keine Sache die, über Nacht oder etwa durch Wechseln der Reitweise geschieht, sondern ein intensiver Ausbildungsprozess von Pferd und Reiter, der vielmehr einen einfühlsamen Reiter und denkenden Ausbilder benötigt, als ein ausgeklügeltes Marketingkonzept. Auch die oft gestellte Anforderung ich will nicht immer 5Kg in der Hand haben trügt, denn sie erweckt den Anschein, das die der Weg zur Leichtigkeit über die Hand des Reiters führt. Diese ist aber im Zusammenspiel der Hilfen die passivste da sie vermehrt verhaltend wirkt im Gegensatz zu den vortreibenden Gewichts- oder Schenkelhilfen

Wichtige Meilensteine sind, zum einen 


  • das theoretische Verständnis des Zusammenspiels von Sitz und Einwirkung
  • und zum anderen auch die praktische Fertigkeit, ein Pferd mit aktiver Hinterhand an die Hand des Reiters heran zutreiben. 
  • Der Kopf des Pferdes befindet sich an oder kurz vor einer gedachten senkrechten Linie, verkriecht sich nicht hinter dem Zügel oder geht gegen die Reiterhand – 
  • das Pferd ist leicht im Maul, 
  • locker im Genick und folgt willig der gewünschten Stellung - 
  • das Pferd geht in Anlehnung. 
Probleme hier resultieren oftmals aus einem, nicht ausreichend mitschwingendem, Rücken. Denn wenn sich das Pferd im Rücken festhält, kann es sich eben nicht vertrauensvoll an die Reiterhand heran dehnen und versucht sich zu entziehen. Für den Reiter bedeutet es, das diese(r)zunächst an der Losgelassenheit arbeiten sollte, um im zweiten Schritt eine Verbesserung der Anlehnung zu erzielen. Devise: Fordern- ohne zu überfordern. 



Ich hoffe wir konnten Ihnen einige Hinweise und Anregungen für Ihre Trainingseinheiten geben und freuen uns auf Ihr Feedback.

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