Montag, 2. November 2015

Reiten in Anlehnung


Den einen „richtigen Weg“ wird es nicht geben. Dazu sind Reitstile und Pferdetypen zu unterschiedlich. Wenn aber Harmonie und Leichtigkeit das Ziel sind und der Weg zum Ziel führen soll kann man Meilensteine auf dem Weg dorthin setzen. 

Clemens Heise und Andrassy
In der Reitlehre wird Anlehnung als stetige, weiche Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul definiert. 


Clemens Heise und Andrassy
Aber was bedeutet das jetzt für den Reiter? 


Zunächst sollte man sich gedanklich davon trennen, die reiterlichen Ziele „schnell“ erreichen zu wollen. Sicherlich gibt es Maßnahmen und Methoden die einen schnellen Weg oder eine Abkürzung versprechen, aber mittelfristig zu viel größeren und schlimmeren Problemen führen. Es bedarf einer soliden und reellen Ausbildung des Pferdes, um es problemlos, nicht nur heute oder morgen, sondern sein Leben lang in Anlehnung und Leichtigkeit reiten zu können. Diese dressurmäßige Gymnastizierung und Ausbildung erfolgt in jeder Trainingseinheit aufs Neue. 

Und genau an diesem Punkt trifft der Pfeil ins Schwarze. Im Idealfall erfolgt die Anlehnung an die Reiterhand als stetige und leichte Verbindung. Um diese zu erreichen und zu bewahren kann man an dem Zusammenspiel von Schub- und Tragkraftt weiter arbeiten. Für die Entwicklung der Schubkraft reiten wir gerne Tempowechsel im Trab (zulegen- abfangen) oder auch Übergänge von Schritt- Trab- Schritt oder Trab- Galopp- Trab, immer abwechslungsreich und auf beiden Händen. Für die Tempowechsel ist es nicht wichtig, 40m schneller zu traben, sondern achten Sie darauf, dass Ihr Pferd sensibel auf die Schenkelhilfe reagiert und anzieht. Schon wenige Tritte genügen zunächst um es dann wieder in den Arbeitstrab zurückzuführen und für die prompte Ausführung zu loben. Ein weiteres wichtiges Thema für ein gefühlvolles Reiten ist die Abwechslung im TrainingStatt langwierig Lektionen zu pauken, entwickeln wir interessante Übungsabläufe die dem Pferd die gewünschte Übung oder Lektion schmackhaft machen, bspw: 

  • lange Seite zulegen- Mitte der langen Seite abfangen- 
  • in leichter Versammlung aus der Ecke kehrt- 
  • am Hufschlag wieder zulegen- erneut abfangen- 
  • in leichter Versammlung eine Volte reiten- 
  • danach erneut kurz zulegen um das Pferd danach in den Arbeitstrab zurückzuführen.
Dieser Ablauf fordert viele Elemente auf dem Weg zur Leichtigkeit ab und gibt mir gute Informationen an welchen Elementen noch gearbeitet werden muss. Wir achten stets darauf, dass es bei einer leichten und steten Zügelverbindung bleibt. Sollte das einmal nicht (mehr) der Fall sein und das Pferd liegt auf der Hand, kehren wir zu dem vorangegangen Ausbildungsabschnitt zurück und beginnen neu. Lassen Sie sich nicht auf ein ziehen am Zügel oder ein ausruhen auf der Hand ein. Kehren Sie zum vorangegangenen zurück, setzen erneut an- oder gönnen Sie sich und dem Pferd eine kleine Pause zur Erholung. Um gefühlvoll in leichter Anlehnung zu reiten, muss man nicht zwangsläufig auf eine andere Reitweise umsatteln. Sehr oft genügt ein Umdenken des Reiters und Umstellen des Reittrainings. Seien Sie selbst innovativer beim Reiten. Entwickeln Sie Übungsabläufe in denen die Elemente der Schub- und Tragkraft gefordert werden, mixen Sie die bekannten Bahnfiguren oder entwickeln daraus eigene. Leichtes Reiten erfordert auch Konzentration, vorausschauendes Denken und ein abwechslungsreiches Reitprogramm. 

Der Begriff Leichtigkeit ist nicht definiert und wird in der Literatur gerne mit Weglassen von Zwangsmitteln, Respekt gegenüber dem Pferd oder nichts in der Hand, frei übersetzt. Eigenschaften die uns aus der klassischen Reiterei wohl bekannt sind. Objektiv betrachtet gibt es verschiedene Formen der Anlehnung. In den lösenden Phasen der Entspannung reitet man üblicherweise am verlängerten Zügel mit leichter Genickkontrolle und vorwärts abwärts. In den Dressurarbeitsphasen oder beim Anreiten von Hindernissen im Parcours oder Gelände reitet man mit freierer Anlehnung in (relativer) Aufrichtung. Die Art und Form der Anlehnung entwickelt sich also aus dem was man reiten möchte. 
Jedoch soll Leichtigkeit in allen drei Disziplinen gewahrt werden. Der Weg dahin führt über sinnvolle Gymnastizierung des Pferdes. Die Entwicklung der Schubkraft und Entwicklung der Tragkraft spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Schubkraft befähigt das Pferd zu einer aktiven Hinterhand und einem energischem Schwingen der Hinterbeine unter den Schwerpunkt des Pferdes. Die Elemente der Schubkraft entwickeln sich aus Losgelassenheit,  Anlehnung, Schwung und Geraderichtung.  Die Tragkraft befähigt das Pferd, den Rücken vermehrt aufzuwölben und sich selbst zu tragen und wird durch die Elemente Schwung, Geraderichtung und Versammlung gefördert. Bei dem optimalen Zusammenspiel zwischen Schub- und Tragkraft wird unser Ziel „Leichtigkeit“ quasi Fundstück am Rande des Weges. Leichtigkeit ist keine Frage der Ausbildung von Pferd und Reiter oder nur etwas für fortgeschrittene Dressurcracks. Die leichte, nahezu unsichtbare Kommunikation (Hilfengebung) zwischen Reiter und Pferd kann in jedem Stadium der Ausbildung erreicht werden. 

Das ist die zentrale Frage um die sich alles dreht, die dennoch kaum allgemein gültig beantwortet werden kann. Denn wie eingangs bereits erwähnt, sind die Anforderungen zu unterschiedlich. Gefühl Gefühlvolles, leichtes Reiten ist keine Sache die, über Nacht oder etwa durch Wechseln der Reitweise geschieht, sondern ein intensiver Ausbildungsprozess von Pferd und Reiter, der vielmehr einen einfühlsamen Reiter und denkenden Ausbilder benötigt, als ein ausgeklügeltes Marketingkonzept. Auch die oft gestellte Anforderung ich will nicht immer 5Kg in der Hand haben trügt, denn sie erweckt den Anschein, das die der Weg zur Leichtigkeit über die Hand des Reiters führt. Diese ist aber im Zusammenspiel der Hilfen die passivste da sie vermehrt verhaltend wirkt im Gegensatz zu den vortreibenden Gewichts- oder Schenkelhilfen

Wichtige Meilensteine sind, zum einen 


  • das theoretische Verständnis des Zusammenspiels von Sitz und Einwirkung
  • und zum anderen auch die praktische Fertigkeit, ein Pferd mit aktiver Hinterhand an die Hand des Reiters heran zutreiben. 
  • Der Kopf des Pferdes befindet sich an oder kurz vor einer gedachten senkrechten Linie, verkriecht sich nicht hinter dem Zügel oder geht gegen die Reiterhand – 
  • das Pferd ist leicht im Maul, 
  • locker im Genick und folgt willig der gewünschten Stellung - 
  • das Pferd geht in Anlehnung. 
Probleme hier resultieren oftmals aus einem, nicht ausreichend mitschwingendem, Rücken. Denn wenn sich das Pferd im Rücken festhält, kann es sich eben nicht vertrauensvoll an die Reiterhand heran dehnen und versucht sich zu entziehen. Für den Reiter bedeutet es, das diese(r)zunächst an der Losgelassenheit arbeiten sollte, um im zweiten Schritt eine Verbesserung der Anlehnung zu erzielen. Devise: Fordern- ohne zu überfordern. 



Ich hoffe wir konnten Ihnen einige Hinweise und Anregungen für Ihre Trainingseinheiten geben und freuen uns auf Ihr Feedback.

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