Montag, 11. Januar 2016

Die Reiterhand

Anlehnung ist die stetige, weiche und federnde Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul, wobei das Pferd diese Verbindung sucht, und der Reiter diese gestattet. So liest man es in der Reitlehre und damit beginnen bereits die ersten Missverständnisse. 

Die Hand des Menschen ist von Natur aus sehr feinfühlig und empfindlich gegen jede Art von Reizungen oder Belastungen. Jährlich investieren viele Menschen Summen in die Kosmetikindustrie um die Hände weich, schön und geschmeidig zu halten. Das ist sicherlich für viele auch sehr reizvoll- doch entsteht derEindruck, dass die feinfühlige, geschmeidige Hand nicht immer das hält, was der Reitergedanke verspricht. In einigen Fällen fühle ich mich an Kevin Costner's Kinfofilm "der mit dem Wolf tanzt" erinnert. Die weibliche Hauptrolle wird von einem Indianermädchen gespielt, die den stolzen Namen "steht wie eine Faust" trägt. 
So sieht auch gerne mal die Eine oder Andere Reiterhand aus. Allerdings, und das muss man sich auch eingestehen wurde ähnliches in den Reitschulen der 70iger Jahre auch fleißig gelehrt. Das dies gar nicht notwendig und auch nicht gewollt ist, hat sich noch nicht bis in den letzten Reitstall durchgesetzt. Auch heute hallt es noch durch die Reithallen: "…die Hand ist zu einer Faust geschlossen…".Nun, man muss ja nicht an jedem alten Zopf festhalten. 

Haben Sie mal ihr Pferd beim grasen beobachtet? Wie geschickt kann ein Pferdemaul, die leckeren Grashalme aus einem Busch von Dornen und Diesteln herauszupfen ohne eine einzige Schramme zu bekommen? Mit welchem Feinsinn kann ein Pferd unterscheiden, ob das eines der prima Leckerlies ist, oder doch nur die fiese Wurmpaste? Und genau  in diesem Pferdemaul beginnen wir mit zuppeln, rupfen, gegen halten, oder anderem?

Wir Reiter denken um. Mehr Leichtigkeit, weniger Aufwand und mehr Freude sind die Kernfaktoren für den Spaß und den Erfolg im Reiten. Dieses Umdenken ist so wichtig geworden, das dafür bereits eigene Worte eingedeutscht wurden. Die Reiterhand steht nicht mehr wie eine Faust, sondern sie wird weich, nachgiebig und geschmeidig. Und das wird viele Pferdemäuler freuen. Beginnen wir mit einer, zunächst trivialen, Betrachtung - der Zügelführung: Es ist unergonomisch die,  1,5cm breiten, Zügel mit der ganzen Hand festhalten zu wollen. Verspannungen in der Hand und im Unterarmmuskel sind die Folge. Diese Verspannung kann sich bis in die Schultern/ den Nacken fortsetzen. Dabei genügt es völlig die Zügel zwischen Daumen und Zeigefinger zu halten und die Intensität der Haltung des Pferdes anzupassen. Das sollte in vielen Fällen an Aufwand genügen und wenn nicht-  genug Anlass geben einmal ein intensives Gespräch mit dem Ausbilder zu führen und/ oder seine Technik zu überprüfen. Alle weiteren Zügelhilfen kann man, in vielen Fällen, nun getrost den Ringfingern überlassen. Der Zügel wird auf Höhe des zweiten Fingergliedes geführt und damit hat man bis zu 4-6 cm Spielraum für notwendige Zügelhilfen.  "Und wie gebe ich denn jetzt die Parade…"? ist in vielen Fällen die Frage die auf den Fuß folgt. Und hier lauert das zweite Missverständnis mit der Reiterhand. Paraden sind immer das Zusammenwirken aller Hilfen und werden nicht durch die Hand eingeleitet. Interessanterweise ist das aufrecht Stellen der Hände angenehmer wenn man zu Beginn die Hände etwas mehr nach außen kippt. Der angenehme Seiteneffekt ist: die Ellenbogen liegen besser am Körper an Unterarm und Hände werden bewusst(er) entspannt- die Hand wird weniger eingedreht. Keine Sorge, ich habe es noch nicht erlebt, das die Hände so sehr nach außen Kippen, das die Zügelhilfen in Mitleidenschaft geraten. In der Summe ist der Sitz des Reiters entspannter.

Eine Bitte zum Schluß: Versuchen Sie beim Reiten vermehrt an die nachgebende Reiterhand zu denken - das Annehmen hat noch keiner vergessen…

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